
Warum Pater Thomas Michels?
Die biographischen Forschungen zu Pater Thomas Michels gehen auf ein Forschungsseminar zur Geschichte der Gründergeneration der Universität Salzburg zurück, das Alexander Pinwinkler zusammen mit Helga Embacher im Wintersemester 2012/13 an der Universität Salzburg angeboten hat. Zahlreiche Beiträge des Seminars wurden im Sammelband „Österreichs Hochschulen im 20. Jahrhundert“ (Herausgegeben von der österreichischen Hochschülerschaft) veröffentlicht und machten einige Forschungsdesiderate sichtbar.
Die Lehrveranstaltung brachte Alexander Pinwinkler zudem auf die Idee, sich näher mit Pater Thomas Michels zu beschäftigen. Aus der Idee entwickelte sich schließlich ein Forschungsprojekt, das der Zukunftsfonds der Republik Österreich finanzierte. Tobias Neubacher, der einer der Studenten im Forschungsseminar zur Gründergeneration gewesen war und über die Anfänge der Politikwissenschaft in Salzburg forschte, konnte von Alexander Pinwinkler als wissenschaftlicher Mitarbeiter gewonnen werden.
Forschungen
Im Mai 2014 fuhren sie gemeinsam nach Maria Laach, um im dortigen Benediktinerkloster den umfangreichen Nachlass von Pater Thomas Michels zu studieren. Überreich mit (eingescannten) Quellendokumenten eingedeckt und mit rund einwöchigen klösterlichen Erfahrungen gesegnet, kehrten wir damals nach Salzburg zurück. Alexander Pinwinkler ging in weiterer Folge daran, weitere Archiv- und Bibliotheksrecherchen im In- und Ausland durchzuführen und einige Forschungsartikel über Michels zu verfassen. Einige Stationen auf diesem Weg waren etwa das Vatikanische Geheimarchiv sowie das Archiv des Benediktinerordens in Rom, das Österreichische Staatsarchiv und die Österreichische Nationalbibliothek in Wien sowie das deutsche Bundesarchiv in Berlin. Währenddessen nahm Tobias Neubacher die Onlinepräsenz in Angriff, kümmerte sich um Bau und Programmierung einer Hörstation und veranlasste die akustische Umsetzung des berührenden Briefwechsels zwischen Thomas Michels und Karl Wolfskehl. Gemeinsam realisierten sie dann aus dem beinahe unerschöpflichen Quellenbestand eine Ausstellung, welche über Salzburg hinaus breite Anerkennung fand.
Eindrücke zur Ausstellungseröffnung
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Video des Vortrags zur Ausstellung
Benediktinerpater und Gelehrter
Peter Franz Michels wurde am 28. Oktober 1892 in Krefeld geboren. Im Jahr 1911 trat er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, wo er 1917 zum Priester geweiht wurde. Michels nahm den Ordensnamen Pater Thomas an und blieb zeitlebens seiner Heimatabtei Maria Laach eng verbunden. Nach theologischen und historischen Studien in Bonn, Beuron und Rom entsandte ihn sein Abt Ildefons Herwegen 1928 nach Salzburg, wo er an der dortigen Theologischen Fakultät für Liturgiewissenschaft und Patristik habilitiert wurde. Seit den 1930er-Jahren avancierte er zu einem der Protagonisten der katholischen Universitätsidee in Salzburg. Im Jahr 1933 in Hitlerdeutschland ausgebürgert, wurde Michels 1935 österreichischer Staatsbürger. Seit 1938 lebte er im US-amerikanischen Exil, wo er u.a. als Prior von St. Paul´s Priory in Keyport, New Jersey, aktiv war. 1947 kehrte Michels nach Salzburg zurück. Dort trat er neuerlich als Förderer der katholischen Universitätsidee hervor. Als maßgeblicher Obmann des Direktoriums der Salzburger „Katholischen Hochschulwochen“ (1950-1971) entfaltete Michels ein breites öffentliches Wirken, so dass er in Salzburg und darüber hinaus vielen Menschen bis heute in Erinnerung bleibt.
Flucht, Exil und Remigration
In der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 verließ P. Thomas Michels seine Wohnung im Salzburger Benediktinerkolleg und nahm am frühen Morgen des 12. März den ersten Zug nach Italien. Michels war den Nationalsozialisten als ein prononcierter Anhänger des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes bekannt. Er fürchtete daher zu Recht, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich verhaftet zu werden. Eine abenteuerliche Flucht führte ihn zunächst nach Südtirol, von wo er über die Schweiz und Frankreich im September 1938 in die USA gelangte. Dort schloss sich Michels dem konservativen österreichischen Exil an und unterstützte als erklärter Legitimist den Kreis um Otto von Habsburg. Während seines Exils bildete die deutsche Sprache für Michels ein Residuum der verlorenen Heimat: Seine Korrespondenz mit dem deutsch-jüdischen Literaten Karl Wolfskehl, die in der Ausstellung exemplarisch zu Gehör gebracht wird, soll dies anschaulich zum Ausdruck bringen. Im Herbst 1947 kehrte Michels nach Salzburg zurück, wo er sich neuerlich an führender Stelle der dortigen katholischen Universitätsbewegung anschloss.
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11.3.1938
- „Letzte Vorlesung in S.[alzburg]! Abschied Schuschniggs von Österreich. Finis Austriae“
12.3.1938
- Michels verlässt um 05:25 Uhr Salzburg in Richtung Brennergrenze
- „Um 2 Uhr Nachts zelebriert. 525 von S.[alzburg] abgefahren. Am Brenner verhaftet. Durch wunderbare Fügung freigelassen. Erste deutsche Truppen am Brenner.“
- „Vor meinem Auge steht die letzte Nacht in Salzburg, die erste unter der Herrschaft der Nazis. Vor der Residenz heulen die Haufen im Unisono der Hölle: Heil Hitler! Nieder mit Schuschnigg, nieder mit dem Erzbischof!“
12.3.1938
- Gries bei Bozen (1925 nach Bozen eingemeindet), Benediktinerkloster Muri-Gries
18.3.1938
- Lugano (CH, Kanton Tessin)
19.3.1938
- St. Gallen
22.3.1938
- Luzern
24.3.1938
- Zürich
26.3.1938
- Einsiedeln, Benediktinerabtei
30.3.1938
- Engelberg, Benediktinerabtei
11.5.1938
- Marienberg, Benediktinerabtei, Südtirol
19.5.1938
- Engelberg, Benediktinerabtei
16.8.1938
- Zürich
- „Amerikanischer Konsul, sehr unfreundlich, aber Hoffnung gebend“
29.8.1938
- Luzern
- „Bruno Walter! Gespielt wurde: Ouvertüre zu Eurydike, Ouvertüre und Bacchanal aus Tannhäuser, Vorspiel zu Tristan und Isolde u. Schubert, 3. Symphonie, hinreißend dirigiert, mit Walter gesprochen.“
3.9.1938
- Zürich
- „Heute Visum für U.S.A. Quod felix faustumque sit!“
21.9.1938
- Basel, Paris
22.9.1938
- Le Havre
- „Um Mitternacht den Kontinent verlassen – Ruhige See“
23.9.1938
- Southampton
29.9.1938
- Ankunft in New York
- „Heute für den Frieden der Welt und den Triumph des Reiches Christi zelebriert. Vier-Mächte-Konferenz in München! – Herrliche Einfahrt in N.Y. bei mildem Abend. P. Prior am Pier.“
1.10.1938
- Washington DC, St. Anselm´s Priory
Seit 1942
- Oberer des kleinen Priorats St. Paul´s Priory der Beuroner Benediktiner-Kongregation in Keyport, New Jersey
- Professor für christliches Altertum am Manhattanville College in New York
- Professor für Geschichte am St. Michael´s College in Vermont:
„I had become especially fond of Vermont […] first of its own beauty, and then because its scenery and climate are replacing my own dear memories of Austria and of the beautiful surroundings of Salzburg.“
25.10.1947
- Remigration nach Salzburg
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- Flucht aus Salzburg, in: Rheinischer Merkur, 15.3.1968.
Abtei Maria Laach, Nachlass P. Thomas Michels.- Michels´ Angaben in diesem Artikel, dass die Gestapo „unter der Leitung des berüchtigten und angeblich noch lebenden Heinrich Müller“ zwei Tage nach seiner Flucht in Salzburg nach ihm gesucht hätte, lassen sich archivalisch bislang nicht belegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelte es sich nicht um Heinrich Müller (*1900; † wohl im Mai 1945; zum 1. Mai 1945 für tot erklärt), sondern um Josef Müller, einen SS-Sturmbannführer, der vom März 1938 bis September 1938 die Gestapo-Stelle Salzburg leitete.
- Flucht aus Salzburg, in: Rheinischer Merkur, 15.3.1968.
Briefkultur und kulturelles Leben
P. Thomas Michels stand zeitlebens mit zahlreichen Menschen in brieflichem Austausch. Zu seinen Korrespondenzpartnern zählten so bekannte Persönlichkeiten wie der Komponist Egon Wellesz, der Historiker Friedrich Engel-Janosi oder der Bildhauer Toni Schneider-Manzell. Als homo litteratus diente Michels das Medium des Briefes dazu, um im Rahmen eines weit gespannten Netzwerks von Freunden und Kollegen seine Vorstellungen von einer christlich geprägten „abendländischen“ Kultur und Gesellschaft zu verbreiten. An der Vision einer „Katholischen Universität“ in Salzburg suchte Michels dabei über politische Brüche hinweg festzuhalten. So gründete er noch in den USA den Verein Friends of the University of Salzburg, in dessen „Advisory Board“ u.a. der Dirigent Bruno Walter und der damalige katholische Kongressabgeordnete John F. Kennedy vertreten waren. Nach 1947 fand sich Michels als Remigrant im Nachkriegsösterreich zwar rasch zurecht, die Tendenz zur gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten pflegte er aber brieflich kritisch zu kommentieren.
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- Die vierten Salzburger Hochschulwochen, in: Katholische Kirchenzeitung, Nr. 32, 74 (1934), 249.
- Die christlich-europäische Universität. Ansprache von Altbundeskanzler Universitäts-Professor Dr. Kurt v. Schuschnigg, St. Louis, Miss., USA beim Festakt der Salzburger Hochschulwochen am Sonntag, dem 11. August 1957, in: Mitteilungen des Katholischen Universitätsvereins (1957), 3-12, hier 3. Universitätsbibliothek Salzburg, Sig. 53148 I.
- Erinnerung an den 30. Juni 1934. Am Tag des Röhm-Putsches wurde Willi Schmid erschossen, in: Rheinischer Merkur, 28.6.1974, 17. Abtei Maria Laach, Nachlass P. Thomas Michels
Thomas Michels – Leben in Bildern